Genuss-Training

Können Sie eigentlich noch genießen?

Ihre Antwort auf diese Frage gibt einen ersten Hinweis darauf, wie es um Ihre psychische Gesundheit bestellt ist. Menschen mit einer seelischen Erkrankung fällt es in der Regel schwer, Dinge oder das Leben insgesamt zu genießen.

Umgekehrt lässt sich sagen: Wenn Sie Ihre Genussfähigkeit trainieren – sich also auch während normaler Arbeitstage immer mal wieder genussvolle Momente gönnen –, dann leisten Sie damit einen Beitrag zur Stabilisierung Ihrer psychischen Gesundheit. Insbesondere Ihrer Stimmung tun Sie damit etwas Gutes.

Im Folgenden finden Sie die „Kleine Schule des Genießens“ (nach Dr. Rainer Lutz) – gönnen Sie sich möglichst täglich so eine Auszeit ohne schlechtes Gewissen, einfach als Genuss-Pause. Das Beispiel orientiert sich am Genuss von Nahrungsmitteln bzw. Getränken. Sie können die Regeln aber auch auf andere Genussbereiche (Spaziergang an der frischen Luft, Fahrradtour, Ausüben eines Hobbys) übertragen.

Testen Sie die folgenden „Regeln“ jetzt direkt mithilfe eines Apfels oder einer Tasse Tee oder Kaffee!

Kleine Schule des Genießens (nach Dr. Rainer Lutz):

  1. Genuss braucht Zeit: Ein Freiraum zum Genießen soll geschaffen werden. Gönnen Sie sich diese Zeit!
  2. Genuss und Genießen müssen erlaubt sein: Angenehme Erfahrungen mit Essen und Trinken sind kein Luxus. Verabschieden Sie sich von Verboten, die vielleicht noch aus Ihrer Kindheit stammen. Sie dürfen genießen!
  3. Genuss geht nicht nebenbei: Er kann nicht neben anderen Aktivitäten erlebt werden. Zu einem bewussten Geschmackserlebnis gehört die ungeteilte Aufmerksamkeit aller beteiligten Sinne.
  4. Erfahren Sie, was Ihnen gut tut: Jeder Mensch kennt seine Vorlieben, aber auch Abneigungen, und kann sich zu einem Gourmet entwickeln. Nahrungspräferenzen können personen- und altersabhängig sein.
  5. Weniger (Genuss) ist mehr (Genuss): Bei einem Überangebot ist Genuss schwer möglich.
  6. Ohne Erfahrung kein Genuss: Genussvielfalt muss, wie andere Kulturgüter auch, erlernt werden. Der geschmackliche Erfahrungsschatz wird erweitert, indem immer wieder Neues probiert wird.
  7. Genuss ist alltäglich: Festliches Essen ist willkommen, aber nicht Bedingung für ein Genusserlebnis. Genuss ist auch im Alltag möglich. Außergewöhnliche Ereignisse sind nicht Bedingung.

Lutz, R. & Koppenhöfer, E. (1983). Kleine Schule des Genießens. In R. Lutz (Hrsg.) Genuß und Genießen. Zur Psychologie genußvollen Erlebens und Handelns. Weinheim: Beltz; S. 112–125.